Als ich letztens so im Wartezimmer meiner Frauenärztin saß, bin ich das Regal mit den ganzen Infobroschüren durchgegangen: Myome, Myome, Pille, Pille, Pille, Impfung, Brustkrebs, Brustkrebs, Brustkrebs, das Jungfernhäutchen. Kein Flyer über Endometriose, obwohl es die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung ist. Das ist mir schon öfters aufgefallen, ob bei diversen Gynäkologen oder in der Frauenklinik Bonn. Die einzige Info, die man dort findet, vergilbt so langsam vor sich hin. Die habe ich vor zwei Jahren angebracht und weist auf unsere Endometriose-Selbsthilfegruppe hin...
Endometriose-Kampagne zum Mitmachen
Nee, Mädels, da müssen wir selbst aktiv werden! Und dank der Endometriose-Vereinigung können wir das auch ganz einfach: Auf der Facebook-Seite der Vereinigung findet man den Aufruf zur Frühlingsaktion zum Mitmachen
Bis zum 15. Juni können Interessierte unter [email protected] kostenlos das Postkartenset „Regelschmerzen sind nicht normal“ anfordern und verteilen bzw. an strategisch wichtigen Stellen wie etwa Wartezimmer auslegen. Die Postkarten verweisen auf die Kampagnenseite regelschmerzen-info.de.
Also, ich hab schon ein paar Karten hier liegen und werde die nächsten Tage allen einen Besuch abstatten und fleißig verteilen: Frauenärztin, Hausärztin, Uniklinik, Physiotherapeut, vielleicht lege ich auch ein paar in der Uni aus.
Alltagsprobleme mit Endometriose, Endometriose Symptome, Endometriose-Forschung2 comments
Ich muss von einem anderen Planeten kommen. Es gibt so viele Dinge auf der Erde, die ich nicht vertrage. Hier herrscht anscheinend eine lebensfeindliche Atmosphäre für mich: Hausstaub, Pollen, Hefen, Schimmelpilze, Cobalt (eine gewöhnliche Nickelallergie kann ja jeder), manche Antibiotika und sogar Hamster, um nur einige wenige zu nennen. An meinem alten Allergiepass hatten sie damals Seiten dran getackert, weil der Platz nicht ausreichte.
Heuschnupfen hätte mir gereicht!
Gut, Allergien haben mittlerweile viele Menschen. Nur ich scheine sagen wir mal "extravagant" zu reagieren. Die Ärztin in der Notaufnahme nach meinem Wespenstich im letzten Jahr hatte mich beinahe wieder nach Hause geschickt. Sie hat mich anfangs nicht ernst genommen, als ich sagte, mir sei schummrig, ich würde laufen wie auf einem Schiff und mir sei ein bisschen übel. Sie meinte die ganze Zeit, bei einer richtigen Wespenallergie reagiere man mit Hautauschlag und Atemnot. Als sie dann merkte, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, hat sie mich dann doch an den Tropf gelegt. Gott sei Dank ...
Der Chefarzt kam am nächsten Tag direkt mit einer Horde Studenten in mein Zimmer mit den Worten: „Hier könnt ihr mal was lernen!“, und er machte auf mein "besonderes" Allergiker-Profil aufmerksam, bei der man die Stufe des Hautauschlags und der Atemnot sozusagen überspringe. Herzlichen Glückwunsch!
Anfang diesen Monats war ich für drei Tage im Krankenhaus für die ersten Spritzen der Wespen-Desensibilisierung. Und NATÜRLICH war ICH diejenige von den drei Wespen-Patienten, der es auch bei der Spritze schummrig und übel wurde.
Letzten Freitag bin ich dann nochmal für die erste Depot-Spritze ins Krankenhaus. Ich traf auf meine Mitpatienten und fragte sie mich am Arm kratzend: „Juckt es bei euch auch noch so um die Einstichstellen und ist es auch noch so dick und gerötet?“ – Nein, natürlich nicht. Die beiden merkten gar nichts mehr. Die Dame saß mit der Depotspritze intus fröhlich strickend auf dem Stuhl, der Herr unterhielt sich angeregt mit seiner Frau. Man verabreichte mir die Spritze. Ich war für drei Tage ausgeschaltet.
Was ist nur los mit meinem Immunsystem? Und kann es sein, dass die Endometriose mal wieder dahintersteckt?
Einatmen – Ausröcheln
Wenn man im Internet danach recherchiert, findet man, dass man nichts findet. Es gibt nur spärliche Informationen zu diesem Thema, grob gesagt, dass man Zusammenhänge vermute, wobei noch nicht klar sei, ob das marode Immunsystem die Endo verursache oder umgekehrt die Endo das Immunsystem zerschieße (1).
In einer Studie heißt es, es gebe einen Zusammenhang zwischen Endometriose und einem erhöhten Risiko, Allergien auszubilden. Man stellte unter Betroffenen eine höhere Quote an Medikamentenunverträglichkeiten, Asthma und chronisch entzündeten Schleimhäuten fest (2). Na klar, reihe ich mich auch da gleich mit ein. Habe hier noch die Überweisung für ein Kopf-CT liegen, da meine Stirnhöhlen total dicht sind. (Ein Grund dafür, dass ich Yoga nur noch alleine zuhause betreibe. Schon mal `ne Wechselatmung mit verstopften Stirnhöhlen gemacht? Fragt mal meine damaligen Sitznachbarn ...)
In Endometrioseherden wurde z. B. eine erhöhte Produktion von Zytokinen festgestellt, Proteine, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren. Dafür ist die Aktivität der Natural-Killer-Zellen, die Tumorzellen erkennen und abtöten, reduziert. Das Zytokin Interleukin 1 beispielsweise induziert Entzündungsreaktionen. Es spielt auch eine erhebliche Rolle bei Formen der Arthritis. Auch Interleukin 8, das bei Endometriose erhöht ist, ist an Entzündungsreaktionen beteiligt (3).
Hilfe, ich greife mich an!
Gute Zeiten – schlechte Zeiten im Krankenhaus
Antinukleäre Antikörper – Antikörper, die das Immunsystem aus unbekannten Gründen gegen die eigenen Körperzellen bildet – werden vermehr unter Endometriosepatientinnen nachgewiesen. Insgesamt wird bei ihnen eine erhöhte Neigung zu Autoimmunerkrankungen beobachtet. Endopatientinnen neigen etwa vermehrt zu Fibromyalgie (chronische Faser-Muskel-Schmerzen), zum Chronischen Erschöpfungssyndrom, Schmetterlingsflechte (Lupus erythematodes), Sjögren Syndrom (Immunzellen greifen Speichel- und Tränendrüsen an), zur rheumatoiden Arthritis, zur Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse) und sogar zur Multiple Sklerose (3).
Und jetzt kommt noch das i-Tüpfelchen: Bei Endometriose-Patientinnen findet man ja häufig eine sogenannte Östrogendominanz. Die Endometrioseherde selbst produzieren nochmals Östrogen. Und Östrogen hat einen stimulierenden Einfluss auf das Entstehen von Allergien (4). Nach meiner persönlichen Erfahrung ist es aber leider nicht so, dass die Allergien unter Östrogenentzug verschwinden. Die 6 Jahre unter Gestagenbehandlung habe ich weiter gejaps und geschnupft.
Ich zitiere Univ.prof. DDr. Johannes Huber aus Wien:
„Neben der präventiven Onkologie muss bei Endometriosepatientinnen auch auf eine präventive Immunologie Rücksicht genommen werden (...)“
„Ich bin auch schneller müde als früher.“
„Wir werden alle nicht jünger.“
„Ich könnte heute auch nur schlafen, das hat man schon mal.“
Diese und ähnliche Sätze muss ich mir so manches Mal anhören. Ich bin keine 20 mehr. Das weiß ich. Das machen mir meine alten Konzert-T-Shirts, die sich mittlerweile am Bauch hochrollen, des Öfteren schmerzhaft bewusst. Mir ist schon klar, dass man nicht mehr wie früher die ganze Nacht auf dem Feuerwehfest tanzt, ein paar Kleine Feiglinge klopft und am nächsten Morgen fit bei der Klassenarbeit sitzt. Ich rede hier auch nicht von Müdigkeit – ich rede von Erschöpfung als Krankheitssymptom. (Wer es schick mag, kann auch Fatigue sagen. )
The Trick is to Keep Breathing
Diese chronische Erschöpfung habe ich auch nicht plötzlich mit dem Älterwerden „entwickelt“. Nein, sie war plötzlich da, und das so ziemlich genau seit meiner ersten OP, seit der Zeit, in der die Endometriose so richtig bei mir zugeschlagen hat. Diese Erschöpfung ist eindeutig mit der Krankheit verknüpft. Diese Gefühl, dass jeder Zelle des Körpers jegliche Energie fehlt, als hätte man den Körper ins Vakuumiergerät gespannt und ausgesaugt. Das Gefühl, dass man jeden Moment umkippt, dass sogar das Atmen „anstrengend“ wird, als würde sich jeden Moment eine Atemlähmung einstellen, wenn man nicht weiter daran „arbeitet“, zu atmen. Es ist ein Zustand, in dem jeder kleine Handgriff zu viel ist, wie bei einer schweren Grippe, nur ohne Erkältungssymptome.
Eine Endo-Bekannte von mir meinte letztens so schön, in den Momenten müsse sie sich selbst zu alltäglichen Dingen wie Wäscheaufhängen richtig aufraffen. Sie ist gerade mal 25. Eine andere Betroffene meinte zu mir, sie stehe um 7 Uhr morgens auf, und um 9 Uhr sei sie schon völlig erschöpft wie nach einem 10 Stunden-Tag. Mit einer weiteren Bekannten habe ich mich über unsere Jobs unterhalten und wir haben beide denselben Eindruck: Dass wir unsere GESAMTE Restenergie nur dafür aufbringen, in diesen Stunden zu funktionieren. Man kratzt sie regelrecht zusammen. Davor und danach ist kaum noch was möglich. Nur der reine Überlebensinstinkt lässt einem wie in Trance zur Nahrungsbeschaffung in den Supermarkt gehen. Hobbys? Verabredungen? Sie werden zur Qual, wenn man sie überhaupt noch wahrnimmt. Zu ihnen muss man sich ebenso aufraffen und danach fällt man dann zuhause in einen Zustand, der noch nicht mal mehr für Sudoku reicht.
Gerade habe ich einen Artikel vor mir liegen, in dem es heißt:
Müdigkeit und Erschöpfung werden von Frauen mit Endometriose als ein Hauptbelastungsfaktor teilweise noch bedeutender als Endometriose bedingte Schmerzen genannt. (1)
Systemfehler
Diese Erschöpfung wird für meinen Geschmack viel zu schnell mal wieder auf die Psyche geschoben, nach dem Motto: Eine chronische Erkrankung führe zu depressiven Verstimmungen und die halt zu Erschöpfung. Ich denke, damit macht man es sich zu einfach. Ich bin kein Arzt. Ich stelle es mir in meinem Normalo-Kopf so vor, dass Körper und Immunsystem durch die Endo im Hintergrund ständig ein Backup laden müssen, bei dem es immer wieder zu Download-Fehlern kommt.
Die Endometriose kommt selten allein. Mit ihr hat man meistens ein All-in-Paket bestellt. Mir gibt es z.B. zu denken, dass ich immer empfindlicher auf Lebensmittel reagiere. Vor allem Glukose und Histamin machen mir zunehmend Probleme. Bei Blutuntersuchungen stellt man bei mir auch immer irgendwelche Mängel fest, meist Vitamin D, Vitamin B und Zink. Dadurch allein ist man schon müde. An welchem Rädchen dreht man jetzt zuerst? Man kommt ja immer mehr auf den Trichter, dass Endometriose eine systemische Erkrankung ist. Ich dachte immer, wenn ich älter werde, geht die Endo mit den Hormonveränderungen weg und ich bin wieder gesund. Ich habe aber das Gefühl, dass die Endo-Schmerzen zwar zurückgehen, aber alles andere dafür wesentlich schlimmer wird. Der Systemfehler bleibt irgendwie weiterhin bestehen.
Ich führe dieses Beispiel nicht gerne an, weil ich eigentlich finde, dass man Krankheiten nicht miteinander vergleichen sollte, aber es drängt sich auf: Hat man Krebs und sagt, man sei erschöpft, ist jedem sofort bewusst, dass hier von einer Art der Erschöpfung geredet wird, die man sich als Gesunder nicht vorstellen kann. Endometriose ist kein Krebs. Und genau das macht es für die meisten wohl so schwer zu verstehen, dass es sich auch hier um eine Erschöpfung handelt, die ein Gesunder nicht kennt. Ich weiß es ja. Ich war ja vorher „gesund“. Wäre die Erschöpfung erst mit 40 gekommen, würde ich auch sagen, gut, is halt so im Alter. Aber sie traf mich mit 29. Ich habe sozusagen den direkten Vergleich in unmittelbarer chronologischer Nähe. Und glaubt mir: Diese Erschöpfung ist nicht normal und sie hat auch nichts mit dem Alter zu tun!
Neidisch auf Dornröschen!
Aber wie soll man sie messen? Wie soll man sie sich attestieren lassen? Wie soll man auch den Ärzten klar machen, dass man psychisch eigentlich super drauf ist, aber der Körper einem signalisiert, am liebsten in einen 100-jährigen Schlaf zu fallen? Wie hebt man die Ernsthaftigkeit der Erschöpfung, die einen im Alltag ebenso behindert wie heftige Schmerzen, in Rentenanträgen und Anträgen zum Grad der Behinderung hervor, dass der Sachbearbeiter, der es nicht kennt, nicht denkt: Ach, das schreiben sie ja alle!
Ich weiß es nicht. Ich bin auch gerade zu erschöpft, um weiter darüber nachzudenken.
Alltagsprobleme mit Endometriose, Endometriose und Arbeit, Kurioses4 comments
Wir befinden uns mitten im Endometriose-Monat März. Und nicht nur deshalb wird momentan mehr über die Endometriose berichtet als sonst. Das "Outing" der Schauspielerin Lena Dunham und einer Sängerin, von der ich noch nie vorher gehört hatte (ich befürchte, ich falle mit 40 nicht mehr in die Zielgruppe), tragen zur Aufmerksamkeit durch die Medien bei. Das ist prima und eine riesen Chance für uns, die Krankheit bekannter zu machen und ins richtige Licht zu rücken.
Dass dies eine Mammut-Aufgabe ist, wurde mir vor kurzem noch einmal bewusst. Ich las den Kommentar einer Betroffenen, die gerade um ihre Erwerbsminderungsrente kämpfte. Der Amtsarzt hätte den Satz geschrieben:
Endometriose ist kein Grund für Berentung.
Preisrätsel: Was stimmt an diesem Satz nicht?
Endometriose – ein medizinisches Sammelbecken
Endometriose ist ein Sammelbegriff. Es ist eine übergeordnete Bezeichnung für ein Phänomen, bei dem Zellen, die man normalerweise in Gebärmutter, Gebärmutterhals und Eileiter findet, in allen möglichen Differenzierungsstufen an anderen Stellen im Körper vorkommen. Zunächst ist Endometriose nur das, die Präsenz dieser Zellen, wo sie nicht hingehören.
Viele Frauen bemerken es ihr ganzes Leben lang nicht. Es gibt sogar die Theorie, jede Frau hätte Endometriose. Das heißt noch gar nichts. In dem Fall ist Endometriose natürlich kein Grund zur Berentung.
In manchen Fällen – und noch weiß niemand, warum – fangen diese Zellen an, umtriebig zu werden, Tumore, Zysten, Knoten und alle möglichen Formen auszubilden und zu wuchern. Auch das heißt noch nichts. Das kann auch noch völlig symptomlos von statten gehen und ist auch dann noch kein Grund zur Berentung.
Endometriose – schnurrt sie oder knurrt sie?
Aber manche dieser Endometriose-Herde fangen an, Probleme zu bereiten – auch hier weiß man nicht, warum es bei manchen Frauen so ist. Damit fängt jedenfalls die Erkrankung Endometriose an: Schmerzen in allen Abstufungen bis hin zur Wehenstärke, verdrängendes oder infiltratives Wachstum bis hin zu Beeinträchtigung von Organen und eventuell Organverlust.
Und nun lasst es mich mit einem Beispiel erklären: Nehmen wir mal an, in einem Wohngebiet ist jemandem eine Katze entlaufen. Nun ruft der Besitzer die Feuerwehr an und sagt: "Sie müssen sofort das Wohngebiet absperren, meine Katze ist entlaufen! Nicht, dass jemandem etwas zustößt!" Die Feuerwehr winkt lachend ab mit dem Satz: "Eine Katze ist kein Grund für eine Straßensperrung." Das Problem: Sie gehen davon aus, dass es sich um eine Hauskatze handelt. Was sie nicht wissen: Der Anrufer ist russischer Ölmilliardär und hält als Haustier einen Löwen. Und schon fehlt jemandem in der Nachbarschaft ein Arm …
Die Angst vorm Amtsarzt
Wenn jetzt ein Amtsarzt pauschal und verallgemeinernd sagt, Endometriose sei kein Grund zur Berentung, ist es genau dasselbe: Meint er mit Endo kleine Herde, die Schmerzen bei der Menstruation verursachen, die mit Schmerzmitteln einigermaßen auszuhalten sind, oder meint er Endo, die krebsähnliche Geschwüre wachsen lässt und 20 OPs verursacht, nach denen man den Darm unterm Hals und den Kopf unterm Arm trägt?
Die Behauptung: Endometriose ist kein Grund zur Berentung ist unvollständig, undifferenziert, absolut unqualifiziert und in vielen Fällen einfach nur falsch!
Nur weiß das nicht jeder, noch nicht mal jeder Arzt. Und dann sitzen da die Schreibtischtäter mit den Berichten und müssen über das weitere Schicksal der Frau entscheiden, der gerade soeben vorgeschrieben wurde, wie sehr sie unter ihrer Erkrankung zu leiden hat, oder auch eben nicht.
Das lässt mich nicht gerade hoffnungsvoller in die Zukunft blicken …
Wenn Du eine Echse am Straßenrand siehst, pass auf, dass Du nicht drauf trittst. Einfach drüber steigen!
Was regst Du Dich denn so auf? Ist doch schön, wenn in Deinem Garten Vögel auf den Bäumen sitzen!
Eine Versicherung gegen Regenschäden finde ich übertrieben!
So eine Meinungsverschiedenheit ist kein Grund für die Politik, sich gleich einzuschalten!
Weiß gar nicht, was Du hast! Ich finde es schön, wenn meine Tochter Dinge aus dem Wald zum Basteln und Dekorieren mitbringt!
Wegen so einem Parasitenbefall muss man ja nicht gleich in Panik ausbrechen!
Nur weil Dein Nachbar ein Sonderling ist, musst Du ja nicht gleich ans Wegziehen denken!
Wir mussten unsere Hündin Emma im November von ihrem Krebsleiden erlösen. Sie war fast 12 Jahre alt. Wir vermissen sie sehr! Sie war eine richtige Persönlichkeit:-)
Mit der Entscheidung, einen neuen Hund bei uns aufzunehmen, wollte ich mir länger Zeit lassen. Doch da haben wir über Facebook mitbekommen, dass 27 Hunde derselben Rasse wie unsere Emma (Grand Anglo-Francais) gerettet wurden. Sie waren in einem erbärmlichen Zustand, nachdem der Jäger sie einfach zurückgelassen hatte. Einige Hunde der Meute hatten es nicht mehr geschafft und waren bereits verhungert.
Als wir das sahen, war für uns klar, dass wir uns melden müssen. Es hieß, die Hunde würden bald von Frankreich nach Deutschland gebracht, es wären viele junge Hunde dabei, wir könnten sie uns dann mal im Tierheim anschauen kommen und dann entscheiden.
So sehr das Herz das sofort wollte, schaltete sich der Kopf ein, mit all den Gedanken, die man sich im Vorfeld so macht, wenn man Verantwortung für ein anderes Lebewesen übernehmen soll. Und natürlich brüllte mir die Endometriose in diese Gedanken hinein – man kennt das ja... Denn in letzter Zeit fühle ich, wie es sich der Herd links hinter der Gebärmutter gemütlich macht und sich ausbreitet. Und da kommen einem Zweifel: Werde ich wieder heftige Schmerzen entwickeln? Werde ich mich um einen jungen Hund kümmern können? Wird das Gassigehen zur Qual werden? Was ist, wenn ich wieder operiert werden muss? Wie lange falle ich dann aus? Wird sich der Hund dann in einer Hundepension wohlfühlen? Und was, wenn ich danach länger brauche, um wieder auf die Beine zu kommen? Müssen wir den Hund dann abgeben? Werden die Wellen über mir zusammenschlagen und ich gehe unter?
Es ist einfach so: Die Endometriose redet im Leben immer mit.
Vorstellungsgespräch mit Endometriose
Mir persönlich geht es so, dass ich schon mit einem schlechten Gewissen in ein Jobinterview hinein gehe. Im Hinterkopf hat man noch die Formulierung der Stellenbeschreibung: Leistungsfähig und belastbar! Jo, im Grunde, also vor der..., also, wenn es nach meinem Willen ginge, dann schon irgendwie ...Und dann sitzt man da und hört sich sagen: „Ich bin ein Team-Player und sehr zuverlässig“, denkt sich dabei gleichzeitig: "Wenn ich nicht gerade eine Endometriose-Phase habe! Solche Tage will ich einfach nur überleben und falle schon mal für eine Weile aus. Da kann ich aber nichts dafür. Das ist dann die Endometriose, das bin nicht ich. ICH bin zuverlässig...Soll ich die Endometriose eigentlich erwähnen? Nachher nimmt er mich deswegen nicht..."
Bekommt man dann die Zusagen, mischen sich unter die Freude Gedanken wie: "Herrje, ich werde ihn enttäuschen! Schon bald werden die ersten Krankmeldungen kommen. Dann die Diskussionen... Also, guten Willen zeigen und erst mal 200 Prozent geben, damit man in den Diskussionen sagen kann, dass man ja will ...Hoffentlich verliere ich den Job nicht wieder direkt!"
Das erste Date mit Endometriose
Einige Endometriose-Bekannschaften von mir sind Single. Da bekomme ich natürlich mit, was es bedeutet, mit dieser Krankheit auf Partnersuche zu sein. Es ist ja so schon schwer genug. Endometriose macht die Sache nicht gerade einfacher. Dann sitzt man da, zurechtgemacht und aufgbrezelt, obwohl man sich nach Jogginghose, Wärmflasche und Couch fühlt. Und während er so von seinem Job erzählt, denkst man: "Wann soll ich es ihm sagen? Jetzt schon? Dann läuft er sofort weg. Vielleicht erst mal näher kennen lernen. Vielleicht mag er mich ja dann so, dass er dann trotzdem bleibt. Obwohl, wer will schon eine Frau mit Endometriose... Ich sollte es direkt klären. Dann kann er nicht sagen, er hätte es ja nicht von Anfang an gewusst...Vielleicht aber doch nicht beim ersten Date. Vielleicht warte ich bis zum zweiten oder dritten. Oder..."
"Ach du Scheiße, was mache ich, wenn er schon bald mehr will, ich aber gerade eine Endo-Attacke habe? Dann muss ich es ihm sagen. Oh Gott, wie abtörnend! Dann geht er erst recht... Ob er Kinder will? Soll ich das jetzt schon klären? Nicht beim ersten Date! Obwohl, nachher verliebt er sich in mich, bleibt dann, weil er mich liebt, merkt dann aber nach 10 Jahren, dass er doch Kinder will, und lässt mich dann wegen `ner 10 Jahre jüngeren "Fruchtbarkeitsgöttin" sitzen. Das verkrafte ich nicht..."
Soll ich mit Endometriose ein Kind kriegen?
Ganz schlimm fand ich es, als ich den Kommentar einer Endometriose-Patientin las, dass sie sich überlege, ob sie überhaupt Kinder kriegen solle. Was, wenn sie sich wegen der Endo nicht richtig um ein Kind kümmern könne? An manchen Tagen ginge es ihr so schlecht, dann könne sie ein Baby nicht mal auf den Arm nehmen. Und welche Mutter nehme ihr Baby schon nicht auf den Arm! Und außerdem: Was, wenn es ein Mädchen wird und es dann auch später an Endometriose erkranken würde? Das könne sie sich dann niemals verzeihen!
Die Überlegung fängt ja oft schon vorher an. Mir wurde immer gesagt, dass ich wahrscheinlich in einer Schwangerschaft schon durch die Schmerz-Hölle gehen müsse. Bei einem Verwachsungsbauch sei die Gefahr von Fehlgeburten auch größer. Nach all den Warnungen drehte sich eine Ärztin schon verabschiedend weg, drehte sich dann noch mal um, und dann sprach die Frau in ihr zu mir: "Aber, nicht dass sie es nachher bereuen, keine Kinder bekommen zu haben, wenn es zu spät ist." Das stand im krassen Gegensatz zu dem, was sie mir vorher gesagt hatte. Daran sieht man, dass die Ärzte einem die Entscheidung nicht immer abnehmen können. Am Ende können sie es auch nicht vorhersagen, wie es verlaufen wird.
Die Chancen stehen immer 50:50 – ob gesund oder krank
Wir haben jetzt eine neue Hündin. Ich habe mir am Ende gedacht: Wenn ein gesunder Mensch einen Hund aufnimmt, weiß er ja auch nicht, ob er nicht am nächsten Tag eine schlimme Diagnose gestellt bekommt. Es kann jeden erwischen, ob gesund oder bereits erkrankt. Noch kann ich mich um einen Hund kümmern. Warum sollte ich es dann nicht tun? Ich weiß ja nicht, wie sich die Krankheit weiter entwickeln wird.
Die Endometriose stellt uns in jeder Lebenssituation vor spezifische Herausforderungen. Nicht immer hängt der Ausgang von unserer eigenen Entscheidung ab. Wir sind auf das Wohlwollen von Vorgesetzten angewiesen und von Liebe und Toleranz unserer Partner. Aber wir können deshalb nicht aufhören zu leben und alle Entscheidungen scheuen. Wir fallen definitiv mehr als andere auf die Nase und müssen immer wieder aufstehen. Da müssen wir leider durch.
Aber: ob mit oder ohne Endo – Man weiß immer erst hinterher, ob man untergeht oder weiterschwimmt.
Maggy
Bildnachweis: Welle: Tim Marshall Schwimmerin: Todd Quackenbush Unter Wasser: Christopher Campbell alle Bilder CC0 1.0/unsplash.com
Es war der Rosenmontag vor 12 Jahren, als mir die Endometriose den Boden unterm Hintern wegriss, eine Woche nach dem Abschluss. Das Gefühl, den anderen nicht mehr hinterherzukommen, klebte seitdem an mir wie Frischhaltefolie, die sich mit sich selbst vertüddelt hatte. Es kam mir vor, als stiegen all meine Freunde in den Zug Richtung Zukunft und ich blieb am Bahnsteig zurück und konnte nur noch schwach winken. Sie machten Karrieren, bereisten die Welt, gründeten Familien. Ich gebe es zu: auf manche Lebenswege war ich ganz schön neidisch. Vor allem auf die Gesundheit! Auf die Energie und die Möglichkeiten, die sie hatten.
Der Neid auf die Gesunden
Drei Jahre vor der großen OP lebte ich für ein Jahr in Schottland. Es war die unbeschwerteste Zeit meines Lebens. Zwar nicht einfach, da ich tausend Jobs auf einmal jonglieren musste, um dort zu überleben, aber vor der OP hatte ich ja noch die Energie dazu. Wenn ich konnte, reiste ich durchs Land. Doch das Schönste war, dass ich dort viele Freundschaften schloss. Einer meiner besten Freunde dort war so ein richtiges "Original" mit Ruhrpott-Charm. Immer in Party-Laune, aber auch immer da, wenn man jemanden zum Ausheulen und Aufmuntern brauchte. Er hatte in Schottland sein Physik-Studium begonnen. Ich beneidete ihn darum, dass er zwei Jahre länger als ich in diesem tollen Land bleiben konnte. Ein paar Mal besuchte ich ihn dort noch.
Nach seinem Abschluss arbeitete er an Universitäten auf der ganzen Welt. Was bei mir passierte, wisst und kennt ihr ja selbst. OPs, Schmerzen, Erschöpfung, Medikamente, Nebenwirkungen, trotzdem irgendwie funktionieren etc. Viele Abenteuer ehemaliger Freunde und auch seine Karriere konnte ich jedenfalls nur noch übers Internet verfolgen. Natürlich wieder nicht ganz frei von Neid und Hadern. Eine andere Seite in mir freute sich selbstverständlich für ihn. Ich stellte mir oft vor, wie ich ihm eines Tages zum Nobelpreis gratulieren würde. Wie er alt und ergraut und ich alt und faltig vor ihm stehen würde und wir uns die alten Geschichten aus Schottland erzählen würden. Über die Jahre verlor sich allerdings unser Kontakt, wie das manchmal im Leben so ist.
Wenn das Leben die Pausentaste drückt
Vor zwei Tagen erhielt ich über Facebook eine Nachricht von einem Unbekannten. Er hatte im nicht öffentlichen Nachrichten-Bereich an alle Kontakte meines alten Freundes geschrieben: Unser Freund XY ist leider viel zu früh von uns gegangen ...
Seitdem ist es so, als hätte jemand die Pausentaste gedrückt. Die Bilder meines Lebens hängen vor mir wie in einem Museum und ich schaue sie mir in Ruhe nochmal an: die Zeit in Schottland, Situationen mit meinem alten Freund, wie er mit der Bierflasche in der Hand in der Nordsee steht, wie ich meinen Liebeskummer bei ihm ablade, wie er mir das riesige Teleskop der Universität zeigt, wie er mir mit leuchtenden Augen von seinem Schwarm erzählt. Die Krankenhausaufenthalte, ich liege am Boden, die Depression unter den Medikamenten. Und dann der Blog, der Endometriose-Kongress, mein Mini-Job. Die Bekanntschaften und Freundschaften, die ich durch die Endo gefunden habe. Mein Mann, meine Schwestern, mein Hund.
Und eines ist mir jetzt klar: Man bleibt nie am Bahnsteig zurück. Man steigt nur in einen anderen Zug. Es ist vielleicht eine andere Verbindung, doch das Ziel ist immer dasselbe. Es gibt nie einen Grund, neidisch zu sein und mit seinem Schicksal zu hadern, ob gesund oder krank. Man weiß nie, welches Schicksal der andere noch zu tragen hat. Glück ist nichts Dauerhaftes und nichts Absolutes. Es liegt immer "im Auge des Betrachters" und dauert immer nur einen kurzen Moment. Die Chance, diese Momente zu erleben, hat man als Kranker genauso wie ein Gesunder. Krankheit ist etwas Furchtbares. Es ist ätzend, es ist ermüdend, es ist qualvoll. Aber Krankheit ist kein Un-glück! Es liegt bei einem selbst. Ich habe dies schon oft gelesen. Seit zwei Tagen verstehe ich es zum ersten Mal.
Du bist wahrlich zu früh gegangen, alter Freund! Danke, dass Du mir die Zeit erklärt hast, die Monde des Jupiters und die Ringe des Saturns gezeigt hast, mich – Du weißt schon wofür – nicht allzu sehr ausgelacht hast und mir immer Mut machen wolltest! Noch sitze ich in meinem Zug. Eines Tages wird auch der ankommen. Dann sind wir alle wieder vereint ...
Vor ein paar Wochen ist eine Pharma Consult Firma an die Leiterin unserer Endometriose-Selbsthilfegruppe herangetreten, ob von unserer Seite aus Interesse bestünde, an einer klinischen Studie zur Endometriose teilzunehmen. Die Empörung in mir war groß: "Ich werde nicht das Versuchskaninchen spielen! Sollen die ihr Zeugs doch selbst schlucken, und schauen, ob ihnen ein dritter Arm wächst oder was weiß ich...!"
Na, eigentlich würde es sich eher um die Vorbereitung einer klinischen Studie handeln. Man wolle einen Fragebogen optimieren. Den sollten später Patientinnen mit Endometriose bekommen, nachdem sie 12 Wochen lang einen Vaginalring mit irgendeinem Wirkstoff (ich nehme mal an Hormone) getestet haben. Wir sollten dafür erst mal nur ein Telefon-Interview machen und lediglich den Fragebogen auf Verständlichkeit prüfen.
Das Tom & Jerry-Dilemma
Ich überlegte hin und her. Mir wurde mein Dilemma wieder bewusst: Als chronisch Kranke auf Institutionen angewiesen zu sein, die immer auch mit einem Auge (im ungünstigsten Fall auch mit zwei Augen) auf ihr wirtschaftliches Interesse schielen. Sicher gibt es auch Gutmenschen unter ihnen (Hach, da konnte ich das Unwort des Jahres auch mal benutzen). Doch ich erinnerte mich an einen Zeitungsartikel, in dem es hieß, dass Krankenkassen, Pharmaindustrie und Co. eigentlich gar nicht an Heilung interessiert seien. Schließlich brächten gerade die chronisch Kranken das Geld in die Kassen.
Dr. Michael E. Platt, der diese These unterstreicht, bringt es in seinem Buch "Die Hormonrevolution" nochmal anders auf den Punkt:
"Das gesamte medizinische Establishment ist in erster Linie auf die Behandlung und nicht auf die Verhütung von Krankheiten ausgerichtet. Zum größten Teil entwickeln Pharmafirmen Medikamente zur Behandlung von Symptomen. Eigentlich sind nur Antibiotika Medikament, die eine Erkrankung tatsächlich an der Wurzel heilen." (1)
Ja, es bereitet einem Bauchschmerzen (Welch Wortwitz in unserer Situation!). Was soll man machen? Man traut dem Verein nicht so ganz. Gleichzeitig möchte man, dass die Forschung vorangetrieben wird und hat Hoffnung, dass man die Ursachen unserer Erkrankung und einen entsprechenden Wirkstoff findet (Obwohl da ja wieder die Frage im Raum steht, ob die Pharmaindustrie das überhaupt will, wie wir oben gesehen haben). Man fühlt sich ein bisschen wie bei Tom und Jerry: Ständig wird man gejagt. Aber in manchen Ausnahmesituationen macht Tom auch mal gemeinsame Sache mit Jerry.
Ich habe für mich persönlich beschlossen: Ich werde für eine klinische Studie nie irgendwelche Wirkstoffe einnehmen! Ich habe durch die Endo schon genug nehmen müssen. In meinem Körper haben sich zeitweise mehr Substanzen getummelt als im Abwasser eines Chemiekonzerns. Das ganze ging natürlich nicht ohne Nebenwirkungen von statten. Handelt es sich lediglich um Interviews oder vielleicht Untersuchungen von physikalischen Anwendungen, wie beispielsweise Wärme- oder Kältebehandlung, bin ich zu jeden Abenteuer bereit. Ich würde mich auch auf neue Operationsmethoden einlassen, wenn es denn wieder soweit sein sollte. Am Ende muss das jeder für sich entscheiden.
So habe ich am Telefon-Interview teilgenommen. Alleine schon aus Neugierde. Die wurde gleich enttäuscht, als die Dame am anderen Ende der Leitung mir mitteilte, sie sei keine Medizinerin und könne nichts über den Wirkstoff sagen, mit dem der Ring versehen würde. Also sprachen wir über die Verständlichkeit des Fragebogens und das war`s. Ich hatte immerhin die Gelegenheit, Anregungen und Kritik anzubringen. Etwa bei der abschließenden Frage, wie man den Ring insgesamt als "Therapiemöglichkeit" der Endometriose bewerte, hab ich Einspruch eingelegt, dass es keine "Therapie" der Endometriose gebe und mir die Formulierung der Frage so nicht gefalle, da ja wieder nur die Symptome behandelt würden.
Und noch mehr Studien
Witziger Weise wurde ich nur einen Tag später von einem jungen Herrn von einer neuen Internet-Plattform namens Viomedo angeschrieben. Sie wollen Probanden und klinische Studien zusammenbringen und vor allem das komplizierte "Arztdeutsch" übersetzen und die Studien für alle verständlich erklären. Sie hätten auch Studien zur Endometriose, ich solle mal schauen, wäre vielleicht auch für mich interessant.
Und ich habe geschaut. In einem Suchfeld kann man Erkrankung und Postleitzahl eingeben, und schon bekommt man angezeigt, welche Studien aktuell dazu in der Nähe laufen. Man kann Studien auch abonnieren. Das Ziel von Viomedo sei es, Patienten/innen klinische Studien einfacher zugänglich zu machen und damit den medizinischen Fortschritt zu beschleunigen. Am Ende stünden die Patienten im Mittelpunkt und je mehr und schneller Probanden und Studien zusammengeführt würden, um so schneller stünden neue Behandlungen für Betroffene zur Verfügung.
Eigentlich eine gute Idee. Würde am anderen Ende des Portals nicht Tom auf einen warten, und man weiß nicht, ob er diesmal gemeinsame Sache machen oder jagen will ...
(1): Dr. med. Michael E.Platt: Die Hormonrevolution. VAK Verlags GmbH, Freiburg 2009. S.216. Titelbild: by Kim Tomacruz from Canva layouts Bilder Katz und Maus: CC0 1.0/pixabay.com
Wieder was gelernt: Ich hatte immer gedacht, es fängt halt meistens mit heftigen Schmerzen während der Menstruation an, und je länger die Krankheit besteht und eventuell auch unbehandelt bleibt, oder auch mit Zahl der Operationen stiege das Risiko, dass die Schmerzen chronisch werden. Aber dem ist dann wohl nicht so ...
In den Weihnachtsferien las ich ein Buch, das meine beste Freundin mir geschenkt hatte: „Giving up the Ghost“ (im Deutschen: „Von Geist und Geistern“). Es ist die Autobiographie der englischen Schriftstellerin Hilary Mantel. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich von dieser Frau nie etwas gehört, geschweige denn gelesen. Meine Freundin überreichte mir das Buch mit den Worten: „Sie ist die einzige Frau, die es bisher schaffte, mit ihren Büchern zwei Mal den renommierten Man Booker Prize in Großbritannien zu gewinnen. Und sie hat Endometriose.“
Ich verschlang die Biographie, muss allerdings sagen, dass sie gewisse Längen hat, wenn man das Buch vor allem auf die Endometriose hin liest. Diese wird so richtig erst im letzten Drittel thematisiert. Und hier habe ich wichtige Informationen von Hilary Mantel erhalten, die Licht ins Dunkel einige meiner Symptome gebracht haben. Aber dazu später.
Ein nicht unbekannter Leidensweg
Bei Hilary Mantel begann alles mit unerklärlichen Schmerzen in den Beinen. Mit Anfang 20 nahm sie die Pille und neue Schmerzen im Bauch kamen hinzu. Die Schmerzen waren so heftig, dass sie eines Tages 6 Aspirin einnahm und erbrach. Die Ärzte sagten immer wieder, es sei psychosomatisch. Wegen ihrer starken Erschöpfung wurde sie immer wieder auf Blutarmut untersucht, man fand aber nie etwas.
Ein Psychiater sagte ihr schließlich, Erschöpfung und Schmerzen kämen wohl von einer Depression. Diese kämen wahrscheinlich davon, dass sie zu „überambitioniert“ sei. Damals studierte Mantel noch Jura. Der Psychiater gab ihr den Tipp, das Jura-Studium abzubrechen und lieber wie ihre Mutter als Verkäuferin im Bekleidungsgeschäft zu arbeiten. (Ich erspare mir hier jeglichen Kommentar ...)
Für verrückt erklärt
Je mehr Hilary Mantel betonte, dass körperlich etwas nicht stimme, desto mehr sagten die Ärzte, dass psychisch etwas bei ihr nicht richtig sei. Sie bekam Antidepressiva verschrieben. Eine Zeit lang wurde sie in der Psychiatrie behandelt. Dort verabreichte man ihr Valium. Manchmal hat es den gegenteiligen Effekt und putscht einen auf, anstatt zu beruhigen. Dies war bei Mantel geschehen und sie hatte unter den Medikamenten das Gefühl, verrückt zu werden. Man gab ihr immer stärkere Psychopharmaka, bis sie es nicht mehr aushielt und die Therapie abbrach.
Nach der Zeit in der Psychiatrie ging sie mit ihrem Mann, der Geologe war, nach Afrika. Sie hatte die Nase gestrichen voll und begann, auf eigene Faust zu recherchieren. Schließlich diagnostizierte sie sich selbst. Mit der Diagnose Endometriose ging sie zurück nach England und knallte sie den Ärzten vor den Latz.
Mehr Gynäkologen als Liebhaber
Mit 27 Jahren wurden Hilary Mantel Gebärmutter und Eierstöcke entfernt. Sie wollte nie Kinder. Doch plötzlich auch die Wahl genommen bekommen zu haben, war schwer für sie zu ertragen. „Mein Körper gehörte nicht mehr mir. Es war ein Ding, mit dem etwas gemacht wurde, an dem operiert wurde. Ich war 27 und gleichzeitig eine alte Frau.“ – Ich denke, diese Sätze würden wir alle so unterschreiben ...
Hilary Mantel beschreibt treffend: Mit Endometriose fühle man sich ständig physisch und psychisch unter Beschuss. In einem Interview sagte sie mal schmunzelnd, sie hätte in ihrem Leben mehr Gynäkologen als Liebhaber gehabt.
Da fehlen mir die Worte!
Hilary Mantel schreibt in ihrem Buch über ein Phänomen, das ich bei mir seit Jahren beobachte, aber nie einen Namen dafür hatte: Durch die Hormonstörungen leiden Endometriose-Patientinnen oft an sehr starkem PMS. In dieser Zeit hätte sie extreme Sehstörungen, Lähmungserscheinungen, Wortfindungsstörungen, ein Schwindelgefühl manchmal sogar eine Art Halluzinationen entwickelt.
Nun, diese Wortfindungsstörungen und Schwindelgefühl in den Tagen vor der Periode, das kenne ich nur zu gut. Wirklich, mit mir während des PMS zu telefonieren, ist kein Vergnügen. Es ist so, als sei Deutsch für mich plötzlich eine Fremdsprache und ich muss angestrengt nach den richtigen Vokabeln suchen. Dank Hilary Mantel weiß ich jetzt, was es ist: Migräne. Und zwar Migräne ohne Kopfschmerzen, nur mit Aura. Ja, das gibt es tatsächlich. Daher auch die Aussetzer, denn Migräne ist nichts anderes als Durchblutungsstörungen im Hirn.
(Ein Artikel zu diesem Thema gibt es hier: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=37188).
Gute Aussichten?
Mittlerweile ist Hillary Mantel über 60 und hat die Endometriose als solches überwunden. Sie ist Schirmherrin der National Endometriosis Society (https://www.endometriosis-uk.org) und schreibt weiterhin Bücher, hauptsächlich historische Romane. In einer Talk Show sagte sie vor kurzem, sie würde sich heutzutage besser fühlen als je zuvor. Das macht mir Mut! Scheiß auf Falten, Übergewicht und schlaffes Gewebe! Ich glaube, das Alter, die Zeit nach der Endometriose (wenn sie denn dann hoffentlich aufhört!), hat für uns noch viel zu bieten, was „gesunde“ Frauen vielleicht nicht so wertschätzen können. Ich weiß es nicht, aber es ist so eine Hoffnung ...
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Nur schnell ein kleines Anekdötchen nach den Feiertagen – befinde mich noch im Urlaubs-Modus:
Ich bin mal wieder drauf reingefallen. Wäre die Endometriose ein Kind, sie wäre wohl so ein Rotzlöffel, der sich von hinten anschleicht und alte Frauen mit Herzschwäche erschreckt.
Lange hatte sie in ihrem Versteck ausgeharrt – aber ich bin ja selbst Schuld. Ich muss zugeben, ich habe sie aus ihrem Versteck gelockt. Zu meiner Verteidigung: Es war Weihnachten. Und er sah so lecker und verführerisch aus! Und irgendwie hat man da so ganz komische, irrationale Gedanken, so was wie: „Ach komm, es sind ja Ferien! Da kann ich ein Stück essen!“ Als würde die Endo berücksichtigen, dass man Urlaub hat und mal ein Auge zudrücken...
Ich gestehe es: Ich habe ein Stück Christstollen gegessen! So, nu ist es raus.
Danach bin ich in die Stadt gefahren. Am Anfang war noch alles gut. Aber dann, es ist so, als würde die volle Dröhnung Zucker und Weizen direkt in die Geschwüre geleitet und dort ein kleines Feuer anzünden.
Ich konnte genau spüren, wie weit der eine Herd auf der linken Seite sich mittlerweile ausgebreitet hat. Und da er wie sein Kumpel auf der anderen Seite lustig auf Ischias und Sakralnerv drückt, fing ich an zu humpeln, weil es beim Gehen so wehgetan hat. Nach einer Stunde war das Spiel dann wieder vorbei.
Dass es kein Zufall war, habe ich dann gesehen, als ich mich ein paar Tage später am Frühstücksbuffet im Hotel an den süßen Brötchen mit Nussnougat-Creme bediente. Derselbe Gedanke: „Bin ja hier im Urlaub. Vielleicht ist die Endo ja zuhause geblieben...“– dieselben Schmerzen.
Mein Vorsatz für 2016: Konsequenter sein! Hab schon ein bisschen Angst vor den Osterferien...
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